1.2. Meditation - DAS Werkzeug

Es war das Jahr 2001, als ich selbst meinen ersten Meditationskurs besucht habe und gleich ein faszinierendes Erlebnis in einer Medi­tation auf das Bild eines spirituellen Lehrers haben durfte. Seitdem habe ich Dutzende verschiedene Meditationstechniken praktiziert. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Meditationen zu kategorisieren. Am hilfreichsten finde ich, sie grob in diese zwei Gruppen einzutei­len:

1. Meditationen, die (hauptsächlich) dazu dienen, das Körpersystem und die Umstände, in denen man sich befindet, zu verändern (=Heilung). Bei diesen Meditationen verwendet man seine Aufmerksamkeit, Liebesener­gie, Visualisierungen, Affirmationen usw., um die gewünschten Veränderungen zu manifestieren.

2. Meditationen, die (hauptsächlich) dazu dienen, Selbsterkennt­nis zu erlangen. Bei diesen Meditationen geht es darum, dass die Aufmerksamkeit zurück zu ihrem Ursprung gebracht wird, zum Beobachter hinter den Erscheinungen und sogar noch jenseits davon zum Beobachter des Beobachters, unserem Höheren Selbst. Man er­kennt dadurch im Laufe der Zeit, dass das wahre Selbst jenseits aller manifestierten For­men ist. Bei diesen Meditationen will man nichts verändern, man will erkennen bzw. erfahren, wer man wirklich ist.

Sutra 2.11.: „Die aktiven Formen der Leiden können durch Meditati­on überwunden werden.“

Sutra 2.17.:
„Die Identifikation des Subjekts mit dem Objekt ist die Leidensursache und soll vermieden werden.“

Sutra 2.25.:
„Wenn Unwissenheit schwindet, löst sich die Verbindung, dann ist das Selbst befreit.“

Um was geht es?

Prinzipiell geht es darum, die Aufmerksamkeit unter anderem aus dem Denken wegzunehmen und sie auf etwas anderes zu richten, um so dem Prozess des Denkens die Energie zu entziehen, und damit die Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen. Bei dieser Meditation richten wir die Aufmerksamkeit auf den Atem – genauer gesagt das Anheben und Absenken des Brustkorbs im Bereich des Herzens, das durch das Atmen bewirkt wird.

Die Aufmerksamkeit nicht nur aus dem Denken, sondern auch aus den Sinneswahrnehmungen zu nehmen (=Pratyahara) und sie zu fokussieren (=Dharana) bilden das 5. und 6. Glied des Ashtanga Yoga und werden in den Sutras 2.54-55 und 3.1 behan­delt. Meditation (=Dhyana) ist das 7. Glied des Ashtanga Yoga und wird speziell in Sutra 3.2 besprochen bzw. darauffolgend in vielen weiteren Sutras.

Sutra 3.2.: „Wenn die Achtsamkeit stetig fließt, geschieht Meditation.“

Dharana und Dhyana führen dann durch Übung zu Samadhi (Über­bewusstsein), dem 8. Glied des Ashtanga Yoga.

Sutra 3.3.: Die Bewusstheit von Subjekt und Objekt verschwindet bei Erfahren des Überbewussten in der Leere.“ oder „Wenn das Wesen sich ganz in dem Betrachteten auflöst, geschieht die Verei­nigung.“

Warum richten wir die Aufmerksamkeit auf den Bereich des Herzens, und nicht, wie sonst oft gelehrt, auf z.B. die Nasenspitze und wie die Luft dort hinein- und hinausfließt? 

Man kann die Aufmerksamkeit natürlich auch z.B. auf die Nasen­spitze richten und beobachten, wie die Luft dort hinein- und hin­aus fließt, das ist auch eine gängige Anfängerpraxis. Indem wir aber die Aufmerksamkeit gleich am Anfang schon in den Bereich des Herzens bringen, kommen wir einem späteren Ziel dadurch auch schon gleich näher – nämlich... dass die Aufmerksamkeit im­mer mehr in unser (Spirituelles) Herz kommt – aber mehr darüber später.

Allgemein

1. Suche dir zum Praktizieren einen Platz, an dem du dich wohl fühlst

Bzw. richte dir dafür, wenn möglich, sogar speziell einen Platz ein, und sorge dafür, dass du für die Zeit der Meditation ungestört bist.

Wenn du auf dem Boden meditieren willst, suche dir eine weiche Unterlage z.B. eine dicke Decke oder eine Yogamatte. Auf diese Unterlage gibst du et­was Weiches, auf das du dich setzen kannst (z.B. ein dickes Kis­sen – optimal wäre ein richtiges Meditationskissen). Du kannst al­lerdings natürlich auch auf einer Couch oder einem Stuhl meditie­ren, falls dir das leichter fällt. Wichtig ist dabei vor allem, dass du dich in deiner Position wohl fühlst und für eine gewisse Zeit entspannt sitzen kannst. Probier einfach selber aus, wo und in welcher Position du am besten entspannen kannst.

2. Die Haltung

2.1.  Achte darauf, dass deine Wirbelsäule gerade ist, da die Energi­en in den Hauptenergiekanälen in der Wirbelsäule (Ida, Pin­gala und Sushumna) dadurch besser fließen können. Hilfreich ist dabei auch, wenn du das Kinn leicht zur Brust gibst und da­durch unter anderem die Halswirbelsäule streckst.

2.2. Schau, welche Sitzhaltung sich für dich gut anfühlt. Ist es der Schneidersitz, der 'Halbe Lotus' (=ein Fuß liegt auf dem anderen Oberschenkel), der 'Volle Lotus' (=die Füße liegen jeweils auf dem anderen Oberschenkel), oder kannst du dich doch auf einem Stuhl (die Füße sollten dabei parallel auf dem Boden sein) besser entspannen?

2.3. Zur Handhaltung in der Meditation...
Eine klassische Handhal­tung ist das sogenannte 'Chin Mudra', bei dem man Daumen und Zeigefinger zusammenbringt, die restlichen Finger leicht aus­streckt und die Hände mit den Handflächen nach oben auf die Knie legt.

Dieses Mudra schließt einen wichtigen Energiekreislauf im Körper und wirkt sich dadurch positiv auf die Meditation aus. Es gibt viele verschiedene Mudras und jedes davon hat eine spezifische Wirkung. Du kannst aber natürlich auch ohne ein Mudra zu machen meditieren.

2.4. Die Zunge spielt bei der Meditation auch eine wichtige Rolle. In­dem man sie leicht an den Ansatz der oberen Schneidezähne legt, schließt man dadurch den absteigenden Energiekreislauf, was sich auch förderlich auf die Meditation auswirkt.

2.5. Augen offen oder geschlossen?
Um sich besser konzentrieren zu können, ist es (zumindest für An­fänger) besser, die Augen geschlossen zu halten, da der Pro­zess des 'Sehens' automatisch einen großen Teil unserer Aufmerksamkeit kon­sumiert.

Bild von mir im Meditationssitz

Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Meditieren

1. Mache als Erstes ein paar langsame, tiefe Atemzüge und entspanne deinen Körper dabei komplett. Lass mit dem Ausatmen auch bewusst alle Gedanken und emotionalen Überreste los, die sich in deinem Körpersystem befinden, wenn möglich.

2. Richte (fokussiere) nun deine Aufmerksamkeit auf den Bereich deines Herzens und beobachte, wie der Atem diesen Bereich beim Einatmen leicht anhebt und wie er sich beim Ausatmen wieder ab­senkt. Du kannst, falls es dir hilft, auch die Hände aufs Herz legen, damit wird die Aufmerksamkeit zu einem gewissen Maß schon au­tomatisch in diesen Bereich gebracht.

3. Sobald du merkst, dass du wieder im Denken bist, geh sofort wieder zurück auf das Beobachten des Anhebens und Absen­kens des Brustkorbes im Herzbereich. Immer und immer wieder, bis sich die Gedanken beruhigen, und du dich immer mehr in die Position des Beobachters dieses Prozesses entspannen kannst.

4. Verweile nun einfach in diesem Zustand des Beobachtens und entspanne dich immer tiefer darin.

Gratuliere, du hast soeben meditiert!

Buddha Bild

Das ist im Prinzip schon die Basistechnik. Dein Geist wird sich wahr­scheinlich am Anfang des Öfteren ziemlich schnell wieder 'zu Wort melden' und deine Auf­merksamkeit zurückverlangen (mit verschiedensten sehr wichtigen Gedanken – zumindest will er dir einreden, dass es gerade jetzt wichtig ist, diesen Gedanken Aufmerksamkeit zu geben), das ist ganz normal.

Sobald du allerdings merkst, dass du wieder im Den­ken bist, konzentriere dich gleich wieder auf das Beobachten des Anhebens und Absenkens des Bereichs deines Herzens. Je länger du es mit der Zeit schaffst, darauf konzentriert zu bleiben, umso mehr lässt das Gequassel in deinem Kopf nach. Schaue, dass du es schaffst, dich nicht im Denken zu verlieren, sondern Gedan­ken, wenn sie auftauchen, einfach zu beobachten – lass sie kom­men und lass sie dann einfach wieder gehen, ohne ihnen deine Aufmerksamkeit zu geben.

Sei dir bewusst, dass sich dein Geist bis jetzt ständig automatisch deine Aufmerksamkeit von dir geholt hat und er das so gewohnt ist – es braucht daher ein bisschen Zeit und Übung, bis wir ihn so­zusagen 'an die Zügel' nehmen können.

Was sagt die Wissenschaft dazu?

Mittlerweile gibt es schon eine große Anzahl wissenschaftlicher Studien, die den positiven Effekt von Meditation auf das gesamte Körpersystem nachgewiesen haben. Auf dieser Seite findest du einen recht guten Überblick über einige der durchgeführten Studien:

Wissenschaftliche Studien Meditation

Dann eignen wir uns jetzt im nächsten Abschnitt gleich die nächste Fähigkeit an: 1.3. Folge deinem Herzen