1.1. Der Verhaltenskodex

Der Verhaltenskodex (Yama & Niyama)

Korrektes Verhalten ist deswegen so wichtig, weil die Summe all deiner Bewegungen in Geist, Emotionen, Worten und Handeln deine Zukunft kreiert. Alles, was du heute aussendest, kommt 'morgen' (=in der Zukunft) zu dir zurück (=Karma bzw. das Prinzip von Ursa­che und Wirkung).

Der Mensch erkennt das normalerweise aber nicht, da auf dieser Ebene der Existenz, auf der wir uns hier befinden, Ursache und Wirkung in der Regel zeitlich versetzt stattfinden. Z.B.: Ich helfe heute einer alten Dame über die Straße und zwei Monate später schenkt mir ein Fremder ohne ersichtlichen Grund einen Apfel. Der Zusammenhang von ursprünglicher Handlung und zeitlich versetztem energetischen Ausgleich ist zusätzlich noch deswegen schwer zu erkennen, da er sich normalerweise nicht als exakt glei­che Handlung manifestiert. Sprich... es hilft nach 2 Monaten nicht mir jemand über die Straße (da ich das ja auch vielleicht nicht brauche), sondern die damals erzeugte Energie wird durch eine dementsprechende Energie ausgeglichen – in unserem Beispiel: Ich bekomme einen Apfel geschenkt. Das ist eine sehr verein­fachte Erklärung, die aber dieses Prinzip veranschaulichen sollte.

Es gibt 3 Arten von Karma:

1. Prarabdha Karma: Das gegenwärtige Erleben als Frucht vergangener Handlungen.
2. Agami Karma: Das Karma, das jetzt durch unsere Handlungen neu gebildet wird.
3. Sanchita Karma: Der Speicher allen Karmas aus allen Leben der Vergangenheit.

Die Ebene, auf der Karma gespeichert wird in unserem Wesen, wird also nicht nach der jeweiligen Inkarnation aufgelöst – d.h. man nimmt altes Karma mit in jede neue Inkarnati­on, bis es wieder aufgelöst wird.

Patanjali bespricht das Thema 'Karma' in den Sutras 2.12-14.:

Sutra 2.12.: „Grundlage des Leidens ist der Vorrat an Handlungskonsequenzen, der im gegenwärtigen oder im zukünftigen Leben erfahren wird.“

Sutra 2.13.:
„Solange karmische Wurzeln verbleiben, äußert es sich als verschiedene soziale Situationen, Lebenserwartung und Art der Erfahrungen.“

Sutra 2.14.:
„Es wird Vergnügen oder Schmerz als Frucht geerntet, je nachdem, ob der Same Tugend oder Laster war.“

Wenn du es schaffst, die nachfolgenden Regeln im Alltag zu leben, wirst du ein schöneres, entspannteres, erfüllenderes Leben er­schaffen, das die Basis bildet, um in der Meditation in im­mer tiefere Ebenen vordringen zu können, und dadurch... dei­nem Höheren Selbst immer näher zu kommen.

Das Yogasutra gibt uns mit den ersten beiden Stufen des Ashtan­ga Yoga – mit Yama und Niyama – in den Sutras 2.30-45 einen Leitfaden für korrektes Verhalten:

Yama

(Don'ts, die Enthaltungen)

1. Nicht gewalttätig sein (in Sanskrit: Ahimsa)

Gewalt fängt schon im Kopf an – das Denken von negativen Gedanken gegenüber sich selbst und anderen führt zu dementspre­chenden Emotionen, Worten und im Extremfall sogar gewalttäti­gen Handlungen. Sehr hilfreich hierfür ist es, sich mit Hilfe von Me­ditation und dem 'Studium der Schriften' (=spirituelle Lehr­schriften, aber auch z.B. YouTube-Videos von spirituellen Lehrern) für höhere Sichtweisen über die wahre Natur der Dinge zu öffnen und dadurch fähig zu werden, negative Gedanken in po­sitive bzw. zumindest neutrale umzuwandeln.

2. Nicht lügen; Wahrhaftigkeit; die Wahrheit sagen und leben (Sat­ya)

3. Nicht stehlen (Asteya)

4. Konzentration auf das Wesentliche; Nicht Zeit und Energie verschwenden (Brahmacharya)

Sobald uns bewusst wird, dass das Wesentliche, um das es im Leben eines Menschen (der nach Befreiung strebt) geht, die Selbsterkenntnis ist, können wir uns bewusst dafür entscheiden, mehr von unserer Zeit für eine dementsprechende Lebensweise zu verwenden.

'Brahmacharya‘ heißt wörtlich übersetzt 'wandern in Gott', ‘Lebensführung im Sinne des Absoluten', bzw. 'Verhalten das zu Brahman (Gott) führt', und wird von verschiedenen Übersetzern und Kommentatoren des Yogasu­tra verschieden interpretiert.

Dies sind weitere Interpretationen von Brahmacharya, die man findet und die für mich ebenfalls stimmig sind:

  • Mäßigkeit; Enthaltsamkeit; Zölibat;
  • Gott in allem sehen (nicht auf die Oberfläche der Dinge fokussieren)

Damit ist z.B auch gemeint, dass man sich nicht auf die menschli­chen Fehler fokussieren sollte, sondern lernt, die Seele, die dahin­ter steckt, zu sehen. Dies ist eine sehr mächtige Praxis, die deine Beziehung zu dir selbst und der Welt komplett zum Positiven ver­ändern kann.

5. Nicht besitzen wollen (Aparigraha)

Aparigraha kann mit 'Nicht-Zugreifen' übersetzt werden und ist eine generelle Einstellung gegenüber der materiel­len Welt. Alle Formen der materiellen Welt vergehen früher oder später wieder – ein Anhaften daran hat nur Leid zur Folge.

Niyama

(Dos, die Empfehlungen für das eigene Leben)

1. Reinheit; Sauberkeit (Saucha)

Reinheit im Außen und im Innen – damit ist also auch die Reinheit der Ge­danken, Nahrung usw. gemeint.

2. Zufriedenheit (mit dem, was ist) (Santosha)

Damit ist ein Zustand gemeint, indem man zufrieden ist nur mit sich selbst – wie man/alles gerade ist – ohne, dass man sonst noch et­was (Menschen, materielle Güter,...) braucht. Was aber nicht hei­ßen soll, dass man nicht nach gewissen Sachen streben sollte.

3. Disziplin (Tapas)

Es ist sehr wichtig, (spirituelle) Übungen mit Disziplin und Ausdauer regelmäßig zu praktizieren, um auf dem Heilungs- und Selbsterkenntnisweg voranzuschreiten.

Disziplin bedarf es aber auch, um gewisse Dinge, von denen man weiß, dass sie nicht förderlich für einen sind, nicht zu machen bzw. sie auf ein Minimum zu reduzieren.

4. Studium der (spirituellen) Schriften und Selbstreflexion (Swad­hyaya)

Studium der Schriften:
Spirituelle Schriften können uns für höhere Sichtweisen öffnen und uns helfen, uns selbst und die Welt, in der wir hier leben, zu verstehen.

Hier sind einige der spirituellen Lehrer, die ich (für mich) als sehr stim­mig erkannt habe und die ich empfehlen kann:

Des Weiteren kann ich zwei klassische spirituelle Schriften besonders empfehlen:

Selbstreflexion:
Damit ist das Reflektieren des eigenen Denkens, Fühlens und Handelns gemeint. Selbstreflexion ist ein unerlässliches Mittel, um auf dem Weg der Heilung und Selbsterkenntnis voranzukommen. Indem man sich selbst beobachtet und Zusammenhänge erkennt, kann man sich gezielt in gewissen Bereichen weiterentwickeln.

5. Gottvertrauen; Hingabe an Gott (Ishvara Pranidhana)

Das Vertrauen darauf, dass alle Erfahrungen, die ich mache, FÜR MICH (=ein wichtiger Erfahrungsschatz für meine Seele) sind und nicht gegen mich.

Hingabe an Gott ist dann auch ein wichtiger Schritt, den es für die Seele am Ende ihres Weges zurück nach Hause zu sich selbst zu machen gilt. Es gilt, das vom Geist erzeugte illusorische Ego-Selbst komplett loszulassen und sich für sein eigenes, höheres, göttliches Selbst zu öffnen – durch Hingabe: 'Dein Wille geschehe.'

So, das wars zu den Verhaltensregeln und jetzt geht es weiter zu... 1.2. Meditation - DAS Werkzeug