5.1. Die Pranayama-Übungsreihe

In dieser Übungsreihe lernst du essentielle Pranayama Übungen kennen, was für eine Wirkung sie haben und wie man sie richtig praktiziert. Wir lösen mit diesen Atemübungen unter anderem gestaute Energien und Emotionen und harmonisieren unser Energiesystem.

Atemübungen sind ein wichtiger Teil des Ashtanga Yoga nach Patanjali und haben viele positive Wirkungen auf unser Körpersystem. Zuerst öffnen und aktivieren wir in dieser Übungsreihe unseren Körper mit dem Sonnengruß und danach starten wir mit den Atemübungen, wobei wir zuerst mit aktivierenden Übungen begin­nen und dann im Verlauf zu beruhigenden und meditativen übergehen. Zum Abschluss machen wir dann noch eine Selbsterkenntnis Meditation.

5.1.1. Übersicht

1. Yogische Körperübung
Der Sonnengruß

2. Pranayama
2.1. Kundalini Atmen
2.2. Bhastrika (alternativ: 2.7. Kapalabhati)
➟ zusätzlich eventuell noch: 2.8. Bahya Pranayama
2.3. Nadi Shodhana
2.4. Brahmari
2.5. Udgeeth
2.6. Pranava Pranayama

3. Meditation
Selbsterkenntnis Meditation

5.1.2. Die einzelnen Übungen

1. Yogische Körperübung: Der Sonnengruß

Wir machen 12 Wiederholungen des Sonnengrußes.

2. Pranayama

2.1. Kundalini Atmen
(Wirbelsäulen Atmen)

Wirkung: 
Diese Atemübung öffnet und stärkt das Atemsystem, versorgt alle Organe und das Gewebe mit Sauerstoff und steigert die Vitalität. Weiters stimuliert Kundalini Atmen den Blutfluss im Körper, öffnet die Herzgegend, das Nervensystem und die Wirbelsäule. Der Geist wird geklärt und der gesamten Körper energetisiert. Durch diese Übung kann die schlafende Kundalini Energie geweckt werden.

Kontraindikationen:
Sollte nicht gemacht werden bei einer kürzlichen größeren Operation an einem der Organe, wenn man Herzprobleme hat, wenn man zu epileptischen Anfällen neigt und bei anderen schweren Erkrankungen.

Allgemein:
* Während wir tief und fest durch die Nase atmen, lassen wir die Hände auf den Oberschenkeln vor und zurück-gleiten. Wir biegen dabei auch die Wirbelsäule nach vorne und hinten und bringen den Kopf vor und zurück.
* Fühle und visualisiere, wie das Prana beim Einatmen die Wirbelsäule hinauf- und beim Ausatmen hinunterfließt.

Anleitung:

* Mach ca. 10-40 Wiederholungen und drei Runden, wobei du vor allem in der letzten Runde die Geschwindigkeit des Atmens steigern kannst wenn du willst.
* Atme nach jeder Runde einmal tief ein und danach ganz aus, halte dann den Atem an (Bahya Kumbhaka) und mache einen vollständigen Verschluss (Maha Bandha).
* Wenn der Impuls zum Atmen kommt, atme tief ein, halte wieder die Luft für ca. 10 Sekunden an (Antara Kumbhaka) und mache einen Wurzelverschluss (Mula Bandha) und einen Kehlverschluss (Jalandhara Bandha).
* Atme danach ein paar Mal normal, bevor du mit der nächsten Runde beginnst.

2.2. Bhastrika
(wird im Kundalini Yoga ‚Feueratmung‘ genannt)

Alternativ kannst du auch 'Kapalabhati' machen (siehe 'Alternative und zusätzliche Pranayamas' weiter hinten).

Wirkung:
Bhastrika ist eine sehr mächtige Atemübung, mit der man alle Schichten des Körpers und Geistes öffnet und reinigt. Diese Atemübung verbessert die Blutzirkulation und verbrennt Gifte und überschüssiges Fett. Sie stärkt und harmonisiert das Nervensystem und redu-ziert damit Stress und Angst. Bhastrika stärkt auch das Immun-, Verdauungs- und Fortpflanzungssystem, entgiftet die Haut und ist eine der besten Übungen, um bei Atemproblemen wie z.B. Asthma zu helfen. Wir erhöhen durch Bhastrika die Hitze im Körper.

Kontraindikationen:
Man sollte Bhastrika nicht praktizieren bei ernsten Herzproblemen, epileptischen Anfällen und bei Schwangerschaft.

Allgemein:
* Diese Atemübung wird auf einen leeren Magen geübt und sollte nicht vor dem Schlafengehen gemacht werden.
* Atme tief und fest in den Bauch und bewege den Bauch dabei stark nach außen und nach innen.
* Bhastrika ist ähnlich wie Kapalabhati (siehe weiter hinten), nur wird bei Bhastrika auch das Einatmen forciert.
* Atme durch die Nase und wie eine Pumpe.
* Ein- und Ausatmen sollen gleich lang sein.
* Finde einen Rhythmus, der für dich passt.
* Du kannst, wenn du willst, langsamer anfangen und dann das Tempo steigern.
* Sitze mit gerader Wirbelsäule und gib die Schultern leicht nach hinten.

Anleitung:
* Mach 3-5+ Runden mit z.B. 15, 20, 40 Wiederholungen (für Anfänger) und steigere vor allem in der letzten Runde die Geschwindigkeit der Atmung, wenn du willst.
* Atme nach jeder Runde einmal tief ein und halte dann den Atem an, bis der Impuls zum Atmen wiederkommt. Mach während des Anhaltens des Atems einen Wurzel- und Kinnverschluss.
* Atme danach ein paar Mal normal, bevor du mit der nächsten Runde beginnst.

Wenn du willst, kannst du dann vor Nadi Shodhana zusätzlich noch 'Bahya Pranayama' machen ➠ siehe 'Alternative und zusätzliche Pranayamas'

2.3. Nadi Shodhana
(Wechselatmung; Kanalreinigungsatmung)

Wirkung:
Nadi Shodhana hilft dabei, die Lungenkapazität zu erhöhen und die Atmung unter Kontrolle zu bringen. Durch Praktizieren von Nadi Shodhana werden alle Nadis geöffnet und gereinigt, sodass Prana besser fließen kann. Diese Atemübung fördert die Konzentrationsfähigkeit, innere Ruhe, Kraft und Klarheit.

Des Weiteren werden die linke und die rechte Gehirnhälfte harmonisiert und besser verknüpft. Nadi Shodhana beru-higt den Geist und das Nerven- und Hormonsystem und gleicht das sympathische und parasympathische Nervensystem aus. Diese Atemübung hilft auch bei mentalen Problemen wie Depression, Angstzuständen und Stress, und verlangsamt den Herzschlag und die Atmung. Nadi Shodhana ist sehr gut geeignet vor der Meditation.

Es gibt verschiedene Schulen, die diese Pranayamaübung ein bisschen unterschiedlich lehren.

Allgemein:
* Gib den Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand zum Ansatz des Daumens und drücke den kleinen Finger zum Ringfinger (Vishnu Mudra).

* Führe dann den rechten Daumen zum rechten Nasenflügel, drücke ihn zu und atme durch das linke Nasenloch (links = parasympathisches Nervensystem) ein.

* Wenn du ganz eingeatmet hast, gib dann auch den Ringfinger auf den linken Nasenflügel und halte die Luft an.

4db84269-83aa-4ebd-bc36-4603cd20505e.png* Nach dem Anhalten der Luft entfernst du den rechten Daumen vom rechten Nasenflügel und atmest durch das rechte Nasenloch aus.

* Atme dann wieder durch das rechte Nasenloch ein und fahre so abwechselnd fort mit dieser Übung.
* Das Ein- und Ausatmen soll über die gesamte Zähldauer andauern.

Anleitung:
* Mache die Übung für 10 Minuten.
* Nadi Shodhana kann man auf verschiedene Arten praktizieren, z.B.:
1. Beginne mit dem Verhältnis 2:8:4 (Einatmen:Anhalten:Ausatmen) Sekunden und steigere es im Laufe der Zeit zu z.B. 8:32:16.
2. Mach die einzelnen Phasen jeweils so lange, wie es angenehm ist, und rezitiere beim Anhalten innerlich Om.
3. Halte so lange wie möglich die Luft an in der Phase des Luftanhaltens.
4. Fühle und visualisiere, wie beim Einatmen die Kundalini durch die Wirbelsäule nach oben steigt, rezitiere beim Anhalten Om, und fühle und visualisiere beim Ausatmen, wie die Kundalini wieder die Wirbelsäule hinabsteigt.
Ich persönlich praktiziere normalerweise so:
Z.B. 8 einatmen, dann so lange anhalten wie angenehm (bzw. 32), danach 16 ausatmen + beim Ein- und Ausatmen visualisiere ich, wie die Energie die Wirbelsäule hinauf- und hinunterfließt.
* Wenn du willst, kannst du dann auch nach dem Ausatmen die Luft anhalten. Z.B. im Verhältnis 4:16:8:8 oder 4:16:8: 16 oder dann sogar 5:20:10:20 bzw. 8:32:16:32.
* Beende die Übung durch Ausatmen durch das linke Nasenloch.
* Zum Abschluss bring die rechte Hand auch auf das Knie und mach ein paar entspannte Atemzüge durch beide Nasenlöcher.

2.4. Bhramari
(Bienen-Atmung)

Wir nehmen bei dieser Atemübung die Aufmerksamkeit von den Sinnen weg (Pratyahara = 5. Stufe des Ashtanga Yogasystems von Patanjali) und richten sie nach innen.

Wirkung:
Bhramari ist eine sehr effektive Übung, um augenblicklich den Geist zu beruhigen, und hilft dabei, z.B. Unruhe, Frustration, Angst und Ärger im Geist loszulassen und zu entstressen. Das Nerven- und Endokrine System wird beruhigt. Bhramari ist auch sehr effektiv, um einen konzentrierten Geist zu bekommen. Man kann die Aufmerksamkeit mit dieser Übung recht einfach in die subtileren Ebenen seines Wesens bringen.

Allgemein:
* Handposition: Die Zeigefinger sind über den Augenbrauen, die Mittelfinger über den Augen, die Ringfinger darunter, die kleinen Finger über den Lippen und die Daumen in den Ohren.

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Anleitung:
* Verschließe mit den Händen die Sinne, bringe die Aufmerksamkeit nach innen und fokussiere sie dann, wenn du willst, innerlich in die Gegend zwischen den Augenbrauen zum Stirn Chakra (=Drittes Auge).
* Dann machst du beim Ausatmen immer den Sound: 'Mmmmhh...' (wie der Sound einer Biene).
* Mach so 9 Atemzüge und, wenn gewünscht, mehrere Runden.
* Wenn du mit der Atemübung fertig bist, bringst du die Hände auf die Knie, machst das Chin Mudra und beobachtest, wie es sich in dir anfühlt.

2.5. Udgeeth
(Om-Chanten)

Laut östlichen spirituellen Lehren ist Om (AUM) der Urlaut der Schöpfung. 

Jenseits der subatomaren Teilchen jeglicher Form ist alles Energie. Die Schwingung dieser Energie hat einen Klang und dieser Klang ist Om.

Dazu das Yogasutra:
Sutra 1.27.: „Er manifestiert sich in dem Laut Om.“

Sutra 1.28.:
„Wiederholung voller Demut und Bewusstwerdung der Bedeutung von Om führt zu Ishvara (dem Höheren Selbst).“

Sutra 1.29.:
„Dadurch offenbart sich der Erkennende und Hindernisse lösen sich auf.“

Wirkung:

Diese Übung hilft bei Depression, Schlaflosigkeit, Konzentrationsmangel und anderen Problemen, die mit dem Gehirn zusammenhängen. Sie beruhigt den Geist und bringt Stabilität. Weiters löst sie Spannungen, Ärger und Angst und ist perfekt geeignet vor der Meditation. Udgeeth verbessert das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit wird geschärft und der Geist wird harmonisiert.

Anleitung:
* Das AUM-Singen (Om-Chanten) hat 4 Teile:
1. 'A' lassen wir im Bereich des Bauches und des Solarplexus drei Mal vibrieren.
2. 'U' drei Mal im Bereich des Herzens.
3. 'M' drei Mal im Bereich des Kopfes.
4. Wir bringen dann die drei Sounds zusammen und chanten 9 Mal AUM.
* Man kann auch nur 4. machen, wenn man will.
* Atme zwischen den einzelnen Teilen ein paar Mal normal.
* Fühle die Vibrationen während des Singen von AUM in jeder Zelle deines Körpers.

2.6. Pranava Pranayama

Man öffnet sich bei Pranava Pranayama einfach für das Bewusstsein und die Energie, die einen umgeben, und atmet sie mit seinem ganzen Körper ein und aus – so, als ob es keine Grenzen gibt zwischen dem Körper und der Umgebung.

Mach Pranava Pranayama für ein paar Minuten und gehe dann direkt in die Selbsterkenntnis Meditation über.

3. Meditation: Die Selbsterkenntnis Meditation

Wir machen für 10 Minuten die Selbsterkenntnis Meditation.

Alternative und zusätzliche Panayamas

1. Alternative zu 2.2. Bhastrika:

2.7. Kapalabhati

Kapalabhati heißt übersetzt ‚leuchtender Schädel‘, denn man bekommt durch Kapalabhati ein leuchtendes/strahlendes Gesicht.


Wirkung:

Kapalabhati reinigt das Energiesystem, die Lungen und die Nebenhöhlen. Man verbrennt überschüssiges Fett und Gifte und das Immunsystem wird verbessert. Weiters wird auch die Blutzirkulation verbessert, und der Körper wird dadurch besser mit Sauerstoff versorgt. Kapalabhati heilt Hautkrankheiten. Diese Atemübung ist auch vor dem Meditieren oder dem Lernen zu empfehlen, da sie den Geist reinigt/klärt.

Allgemein:
* Sitze mit gerader Wirbelsäule.
* Stoße aktiv und stark Luft durch die Nase aus und lass sie nur passiv wieder zurück in die Lungen fließen.
* Atme wie bei einer Pumpe und lerne nur den Bauch zum Atmen zu verwenden.
* Finde einen Rhythmus, der für dich passt.

Anleitung:
* Mach 3-5 Runden zu je zw. ca. 20-80 Wiederholungen.
* Mach nach jeder Runde einen langsamen, tiefen Atemzug, entspanne dich und beobachte die subtilen Vorgänge im Körper.

2. Zusätzlich vor 2.3. Nadi Shodhana:

2.8. Bahya Pranayama

Wirkung:

Bahya Pranayama reinigt und entgiftet den Körper. Diese Atemübung stimuliert und stärkt das Verdauungs- und Fortpflanzungssystem. Weiters hilft sie beim Heilen von Magenproblemen, und man öffnet das Zwerchfell und die Herzgegend. Bahya Pranayama stärkt und gleicht auch das Nervensystem aus und verbessert das Immunsystem.

Kontraindikationen:
 Sollte nicht bei Schwangerschaft praktiziert werden.

Anleitung:
* Mache nach jedem Mal ausatmen einen vollständigen Verschluss (Maha Bandha).
* Halte den Atem anfangs für ca. 7 Sekunden an und steigere die Dauer dann mit der Zeit.
* Bring den Kopf während dem Einatmen nach hinten.
* Wir starten mit 5 Wiederholungen und steigern dann auf bis zu 21.
* Mache 3-5 Runden mit z.B. 1. Runde 5 Wiederholungen, 2. Runde 7 Wiederholungen,...
* Entspanne dich jeweils kurz nach jeder Runde.